Boule und Parkinson


Seit ich boule, begleitet mich meine Parkinson Erkrankung. Das Kugelspiel wirkt jedoch therapeutisch. Die großen, schwingenden Bewegungen beim Pétanque gelten in der Parkinson-Therapie als „Big Moves“. Sie verbessern die Körperhaltung und den Bewegungsablauf. Was für Zuschauer irritierend sein muss ist, dass ich die Unruhe durch den Parkinson, in der Konzentrationsphase vollständig in meine linke Hand leite. Da diese das Tuch hält, sieht es aus, wie wenn ich eine Fahne schwenke. Doch egal, mir hilft es.

Als Add On habe mir angewöhnt auch mit links zu spielen, womit ich relativ schnell Erfolg hatte. Meinen linken Arm nenne ich „Mr. Parkinson“ und spiele immer wieder mal ein Téte gegen ihn. Dabei kommen zum Teil sehr spannende Partien zu Stande.





















Mit der Zeit wurde ich trotz Parkinson immer zielsicherer. Im Spiel mit mir selbst habe ich mich immer größeren Herausforderungen gestellt und erreichte Würfe der Superlative. Ich erfand für mich das „Chirurgische Schießen“. Zum Beispiel eine Kugel, die press an der Sau liegt, so wegschießen, dass die Zielkugel liegen bleibt. Die gleiche Variante natürlich, wenn 2 Kugeln press liegen. Mein Highlight waren 6 Kugeln in Reihe mit jeweils 1 Kugeldurchmesser Abstand. Ich habe dafür abwechselnd schwarz und silber genommen. Dann ging ich 8 Meter zurück und schoss eine Farbe sauber heraus. Es ist sagenhaft, was da Glückshormone freigesetzt werden. Das lässt einen den Parkinson fast vergessen.

Doch Mr. Parkinson ist hartnäckig. In einem schleichenden Prozess ging es los, dass ich immer öfter schlecht oder gar nicht mehr getroffen habe. Es war, wie wenn ich im letzten Moment der Wurfbewegung die Kontrolle über den Arm verliere. Beim Spiel mit anderen war der Effekt durch die zusätzliche Nervosität noch schlimmer. Ich hatte Spiele mit <10% Trefferquote. Vor einigen Wochen war ich mit meinem Freund und Mentor Bernd auf dem Platz. Die Spielzüge waren zum Teil top, zum anderen Teil flopp. Da sagte Bernd einen entscheidenden Satz: „Es ist schade, wenn der Körper nicht mehr das macht, was vorher selbstverständlich war.“ Nun dämmerte es mir. Der Parkinson war wieder etwas stärker geworden. Beim genauen Hinsehen musste ich eingestehen, dass auch der Tremor im Alltag zugenommen hatte. Ich habe diesen Prozess einfach nicht wahrgenommen. 

Nachdem ich im November, in Absprache mit meinem Neurologen, die Dosis der Medikamente etwas erhöht habe, kommt nun tatsächlich meine Zielsicherheit zurück. Ich stehe, trotz kalter Jahreszeit, täglich auf der Bahn und stelle mich der ein oder anderen Herausforderung.


Noch eine Erfahrung erlebte ich in München. Ich war dort zum Boule spielen in den Hofgarten gegangen. Schnell ging ein Doublette zusammen. Wir spielten in der Nähe vom Zugang Odeonsplatz, auf anspruchsvollem Terrain. Hier war viel Konzentration gefordert. Nach drei Stunden war ich zugegebenermaßen relativ platt.

Am nächsten Tag war ich 1 Stunde früher dran und spielte zwei Tete gegen Mr. Parkinson, bis Willi vorbei kam und mich fragte, ob ich mit zu den anderen hinüber komme. 

Dort waren wir schnell zu sechst, später zur acht, für 2 Doublette. Es waren spannende Spiele auf hohem Niveau. Zwischenzeitlich war ich schon fast 4 Stunden am Kugel werfen, als plötzlich der Einbruch kam. Mein Tremor hatte deutlich zugenommen und ich hatte kein Gefühl mehr für die Weite. Die Kugeln kamen meist zu kurz. Ich fühlte mich hilflos. Vermutlich waren meine Dopaminvorräte bis auf den letzten Tropfen verbraucht. Am nächsten Tag war dann alles wieder in Ordnung. 

Resümee: Auch wenn es noch so viel Spass macht, mit den Besten mitzuhalten, muss ich mir Auszeiten gönnen und den Ehrgeiz etwas herunterfahren. Vielleicht ein paar Schritte spazieren gehen oder einfach von der Bank aus die ein oder andere Partie beobachten.


Eine spannende Beobachtung machte ich in der letzten Zeit. Häufig werde ich beim Spielen darauf angesprochen, dass ich mir eine bessere Handhaltung antrainieren sollte. Ich muss gestehen, dass ich immer schlampiger werde und die Kugel fast seitlich aus der Hand lasse. Wenn ich die Haltung allerdings korrigiere, leidet die Zielsicherheit noch mehr. Nun wollte ich es wissen und habe mich genau beobachtet. Dabei fand ich heraus, dass sich der Tremor abhängig von der Handhaltung verändert. Seitliche Handhaltung ist am ruhigsten und damit besser für die Genauigkeit.